Verkehrsrecht

Der Entzug der Fahrerlaubnis wegen fehlender charakterlicher Eignung

Auf der Überholspur dicht auffahren, links blinken und dem Vordermann mit der Lichthupe aufblenden ist oft Alltag auf Deutschlands Autobahnen. Wer sich jedoch durch solches Verhalten provozieren lässt, den Drängler bei nächster Gelegenheit selbst überholt und dann durch drastisches Reduzieren der Geschwindigkeit „ausbremst“, bringt sich nicht nur selbst in Gefahr, sondern auch in erhebliche rechtliche Schwierigkeiten:

Strafrechtliche Konsequenzen

Scharfes Bremsen ohne verkehrsbedingten Anlass, insbesondere zu „Erziehungszwecken“ anderer Verkehrsteilnehmer, kann strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. In Betracht kommen hier der Straftatbestand der Nötigung nach § 240 Abs. 1 StGB und – wenn der Hintermann durch das Ausbremsen in „Erziehungsabsicht“ konkret gefährdet wird – unter Umständen auch ein gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b Abs. 1 Nr. 2 StGB.

Fahrerlaubnisrechtliche Konsequenzen

Wer hier aber einen Strafbefehl wegen Nötigung vorschnell akzeptiert, froh darüber, noch einmal ohne Fahrverbot oder gar einen Entzug der Fahrerlaubnis „davongekommen“ zu sein, hat sich möglicherweise zu früh gefreut:

Denn den wenigsten Verkehrsteilnehmern ist bewusst, dass nach Abschluss des Strafverfahrens der Ärger oft noch nicht vorbei ist. In vielen Fällen meldet sich im Anschluss an das Strafverfahren die Fahrerlaubnisbehörde und fordert den Verkehrssünder unter Fristsetzung auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU), im Volksmund besser bekannt als „Idiotentest“, vorzulegen und droht im Weigerungsfall den Entzug der Fahrerlaubnis an.

Dies ist keineswegs abwegig:

Denn nach § 11 Abs. 3 Nr. 5-7 FeV kann die Fahrerlaubnisbehörde ein MPU-Gutachten anordnen, wenn wegen Begehung von Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr, insbesondere wenn diese auf ein hohes Aggressionspotential schließen lassen, Zweifel an der charakterlichen und geistigen Eignung zur Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr bestehen.

Auf die Begründung kommt es an

Bei Erhalt einer solchen MPU-Aufforderung lohnt es sich, deren Begründung sehr genau zu überprüfen:

Der „Knackpunkt“ liegt hier nämlich darin, dass strafrechtliche Verfehlungen im Straßenverkehr grundsätzlich durch Punkte in Flensburg „geahndet“ werden. Nach dem Mehrfachtäter-Punktesystem (Fahreignungs-Bewertungssystem) ist auch ein Verkehrsstraftäter nicht per se zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet, sondern erst im mehrfachen Wiederholungsfall, nämlich nach Erreichen von 8 Punkten. Zuvor soll er noch durch Ermahnung und Verwarnung vor einem drohenden Entzug der Fahrerlaubnis gewarnt werden. So erhält ein Verkehrsteilnehmer bei einer Verurteilung wegen Nötigung mit Fahrverbot beispielsweise „nur“ zwei Punkte (Ziffer 2.1.3 Anlage 13 zu § 40 FeV), was isoliert betrachtet noch keine einschneidenden verkehrsverwaltungsrechtlichen Konsequenzen nach sich zieht.

Will die Fahrerlaubnisbehörde in einem solchen Fall aber trotzdem eine MPU wegen Zweifeln an der charakterlichen Eignung anordnen, muss sie besonderer Weise begründen, warum sie vom Mehrfachtäter-Punktesystem abweicht. Übt sie dieses Ermessen nicht oder nicht ausreichend aus, ist der der daraufhin ergehende Entzug der Fahrerlaubnis rechtswidrig und kann mit Klage und einstweiliger Verfügung angegriffen werden.

Dr. Georg Karl LL.M. ist Fachanwalt für Strafrecht in Regensburg